Ab nach Batumi

Nach einem fünfstündigen Ritt mit dem Taxi erreichen wir Tirana in Albanien. Wir zahlen 30 Euro pro Person, ein Platz im Bus hätte 27 gekostet – den Luxus gönnt man sich mal. Wir sind platt von der Hitze und den freundlichen Leuten hier. Die Albaner sind stolz auf ihre besondere Sprache, für die sie zunächst das E mit zwei Punkten drauf und das gerollte R erfinden mussten.

Um zwei Leute kommt man hier nicht herum: Skanderbeg, den Nationalhelden, und Enver Hoxha, den großen Diktator.

Skanderbeg wurde unter osmanischer Herrschaft nach Edirne geholt, wo er zum Islam konvertierte und auf eine Laufbahn in den obersten Reihen der Osmanen vorbereitet wurde. Irgendwann ging er zurück nach Albanien, konvertierte zurück und bekämpfte die Osmanen. Viele Leute, auch außerhalb Albaniens, fanden diese David-gegen-Goliath-Aktion klasse, und die katholische Kirche fand es knorke, dass jemand das Christentum verteidigte. Skanderbeg starb 1468 als Rockstar und steht heute in Tirana auf dem Skanderbeg-Platz.

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Nicht ganz so populär ist Enver Hoxha: Der hat 1944 die sozialistische Volksrepublik Albanien erfunden, der er bis zu seinem Tod 1985 vorstand. Vierzig Jahre also, in denen außer Personenkult und Mangel an Südfrüchten in Albanien nichts los war. Sein Nachfolger durfte noch bis zur Abschaffung des Sozialismus regieren, während man dem Enver eine Pyramide baute, die heute einfach gar keine Funktion hat. Denkmäler für sozialistische Führer sind in demokratischen Staaten anscheinend nicht der Renner.

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Eine schöne Eigenschaft von Albanien ist jedenfalls, dass man niemals Probleme haben wird, einen Bunker zu finden, falls man mal einen braucht. Etwa 700.000 davon wurden von Hoxha über das Land verteilt und trugen dazu bei, dass Albanien unbesiegbar wurde. Laut Staatspropaganda konnte Angriffen von Russland und den USA, gerne auch gleichzeitig, mühelos standgehalten werden.

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Nach zwei Nächten im relaxten Tirana fahren wir mit dem Bus nach Ohrid – Tickets gibts für 2070 Lek, was etwa 15 Euro entspricht. Ohrid hat eine bezaubernde Altstadt und liegt an einem der ältesten Seen überhaupt, dem Ohridsee. Das ganze Spektakel ist laut UNESCO freilich ein Welterbe. Was auffällt: Mazedonier sind weniger entspannt als die Albaner – das mag aber auch daran liegen, dass wir ausgerechnet am Nationalfeiertag, dem 2. August, hier aufschlagen und Ohrid auch für die Mazedonier ein beliebtes Ziel ist. Also rein in den Tumult und mit den Einheimischen um die Wette drängeln.

Die Kirche vom Sveti Jovan, die hier in Ohrid steht und ihren Namen dem heiligen Johannes verdankt, ist auf sehr vielen Postkarten zu finden und wurde im 13. Jahrhundert erbaut. Sie ist damit echt Vintage und hat natürlich neben ihrer Architektur diesen schicken See im Hintergrund – der zwar schön kühl, aber nicht ganz algenfrei ist. Irgendwas is halt immer.

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Am zweiten und letzten Abend besuchen wir ein Konzert von Kiril Dzaikovsky, der auf dem Balkan ein gefragter Typ ist und wirklich tanzbare Musik macht. Am nächsten Morgen erwartet uns der offiziell grausigste Kater des Urlaubs – und es geht weiter zum Busbahnhof, wo wir erfahren, dass der Bus nach Skopje schon voll ist. Ein Taxifahrer nimmt uns für 2000 Dinar mit, die wir für vier Bustickets auch bezahlt hätten.

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Skopje ist die Hauptstadt von Mazedonien und wird seit 2010 von der Regierung mit kitschigen Bauwerken vollgestellt. Die ursprünglich geplanten Kosten des gesamten Pimp-My-Skopje-Projekts lagen übrigens bei 80 Millionen Euro und damit ungefähr so hoch wie die der Elbphilharmonie; zudem ist das Projekt nicht so arg aus dem Ruder gelaufen wie die deutsche Konkurrenz. Trotzdem ist der mazedonische Wutbürger dem deutschen um einiges Voraus: Einige Tage vor unserer Ankunft gab es Proteste von Mazedoniern, die bessere Möglichkeiten zum Ausgeben der Steuergelder kennen – einige Bauwerke haben dabei ein paar Paintball-Kleckser abbekommen.

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Nach einer Nacht in Skopje fliegen Mirjam und Marcel schonmal nach Tiflis. Julia und ich fahren mit dem Bus nach Sofia. Es ist Freitag – einen Tag später wird hier ein Unwetter ziemliche Verwüstung anrichten.

Ein paar Stunden in der bulgarischen Hauptstadt reichen für einen Kaffee und ein paar nette Schnappschüsse. Sofia ist übrigens richtig alt – während einige deutsche Städte stolz ihre 800-Jahr-Feier abhalten, weiß man in Bulgarien nicht so genau, wie viele tausend Jahre Sofia eigentlich schon besiedelt ist. Nicht ganz so lange, aber immerhin seit gut 100 Jahren, beherbergt Sofia die wirklich imposante Alexander-Newski-Kathedrale:

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Von Bulgarien geht es weiter mit dem Balkan-Express, der täglich um viertel nach sieben nach Istanbul losbrettert. Ich habe zuvor etwas von 50 Euro plus Liegewagenzuschlag gelesen, wir zahlen pro Ticket aber nur knapp 23 Euro, dafür ohne Liegewagen. Wegen Gleisbauarbeiten in der Türkei geht es ab der Grenzstation Kapikule im Bus und ohne Liegemöglichkeit weiter, und so verzichtet auch der Zug auf einen Liegewagen. Der Zug ist wirklich noch gut in Schuss, und die türkischen Busse sind sowieso fabelhaft.

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Nach einer etwas chaotischen Einreise in die Türkei kommen wir um halb sieben Uhr morgens in Istanbul an. Durchsagen gibt es im Zug nicht, sodass der Schaffner irgendwann einfach alle rausschickt. Auf dem Bahnsteig werden die Fahrgäste mit Hilfe einer langen Liste, die alle Länder und deren zugehörige Visabedingungen enthält, aufgeteilt: Wer ein Visum braucht, geht in einen Nebenraum der Wartehalle; die die keins brauchen – wie etwa Türken und Deutsche – gehen in die Wartehalle. Während die anderen Fahrgäste ihr Visum bekommen, erreicht der Bus aus der Gegenrichtung den Bahnhof, und die Wartehalle füllt sich mit Menschen, die auf dem Weg nach Sofia sind. Unsere Schaffner fragen nun vor der Wartehalle, wer doch gleich noch nach Istanbul wollte und schicken uns zu den anderen in den Nebenraum, wo wir unseren Einreisestempel bekommen. Anschließend gehen alle zur Gepäckkontrolle, die sich in einer kleinen Hütte neben dem Bahnhof befindet. Und dann ab in den Bus.

Völlig verstrahlt, und 90 Minuten vor dem Fahrplan, kommen wir in Istanbul an, suchen unsere Bleibe und machen uns erstmal frisch. Wir fragen einen Einheimischen auf der Straße, wo man hier gut frühstücken kann, und bekommen einen wirklich brauchbaren Tipp. Brauchbar, das bedeutet etwa 16 Schälchen mit unfassbar leckeren Sachen plus Brot plus Omelette auf der Dachterasse eines Cafes direkt neben der blauen Moschee. Also in unserem Zustand, und auch in jedem anderen Zustand, wirklich, wirklich brauchbar.

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Istanbul wurde im siebten Jahrhundert vor Christus als Byzanz gegründet. Im vierten nachchristlichen Jahrhundert plante ein römischer Kaiser namens Konstantin ein zweites Rom, und so wurde aus Byzanz Konstantinopel. Ab 1453 eroberten die Osmanen die Stadt und nannten sie Istanbul. Sie blieb übrigens bis 1923 die Hauptstadt der Osmanen – die neu gegründete türkische Republik wählte danach Ankara als Hauptstadt.

Wir halten uns ausschließlich in der Altstadt auf, dem äußersten Zipfel des europäischen Teils der Türkei. Hier stehen die Hagia Sophia, die blaue Moschee und noch viele Sehenswürdigkeiten mehr, was für unseren kurzen Aufenthalt viel zu viel ist. Wir beschränken uns auf die blaue Moschee, den großen Basar und eine Gasse mit bunten Schirmen.

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Heute hält der Staatspräsident eine Rede und hat die Bevölkerung eingeladen, dabei zu sein. Unsere Fahrt mit der Metro zum Busbahnhof ist deshalb kostenlos. Dort angekommen informiert man uns, dass der Bus nach Batumi in Georgien schon voll ist. Wir nehmen Tickets nach Trabzon, was uns immerhin ein gutes Stück in die richtige Richtung bringt.

Nach knapp 18 Stunden Fahrt erreichen wir Trabzon um halb fünf in der Früh. Mit uns an der Haltestelle: Ein Mitarbeiter des Busunternehmens und ein unbeteiligter, der zufällig französisch spricht. Um fünf Uhr nachmittags kommt ein Bus, der nach Batumi fährt. Wir sollen dem Mitarbeiter 30 Lira pro Nase geben, Tickets gibt es für den Bus keine. Das klingt nach einem fairen Deal. Wir geben ihm das Geld und gehen kurz Zähne putzen. Als wir wieder kommen, wartet schon der Bus auf uns – offenbar war nicht fünf Uhr nachmittags, sondern morgens gemeint. Ich sollte vielleicht mein französisch bei Gelegenheit etwas aufpolieren.

Man winkt uns, auch ohne Ticket, freundlich in den Bus. Die gut zwei Stunden Fahrt entlang der Küste des schwarzen Meeres werden von einem netten Sonnenaufgang begleitet.

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An der georgischen Grenze hält der Bus. Man gibt den Fahrgästen zu verstehen, dass wir hier aussteigen sollen. Viel mehr lässt sich dank der Sprachbarriere auch nicht in Erfahrung bringen. Ob der Bus, oder ein anderer, auf der anderen Seite wartet, und wie wir nach Batumi kommen? Keine Ahnung. Wir steigen aus und laufen über die Grenze. Auf der anderen Seite wartet kein Bus auf uns.