Iran again

Vorderasien ist ja bekanntlich ein Pulverfass. Hier werden Botschaften mit Molotov-Cocktails beworfen, amerikanische Flaggen öffentlich verbrannt, und dazu kommt noch der ganze Terrorismus. Obwohl das alles nur einige Nachbarländer betrifft, färbt das Image im Ausland auf den Iran ab. Viele Iraner sind sich dessen bewusst – ich soll daher bitte zuhause die Kunde verbreiten, dass sie keine Terroristen sind. Und tatsächlich vermittelt außer dem Stadtverkehr hier wirklich nichts den Eindruck von Gefahr.

Seit der islamischen Revolution von 1979 ist der Iran ein Gottesstaat – das heißt, dass ein Präsident hier im Fernsehen Reden schwingt und aber eigentlich 12 bärtige Männer sagen wo es lang geht. Und die sagen, dass Alkohol hier verboten ist, dass Männer lange Hosen und Frauen Kopftuch tragen sollen, und dass der Abfall vom Glauben sowie Homosexualität mit dem Tod bestraft werden können.

Vor der Revolution hatte man hier noch einen Schah. Der brauchte Geld und war der westlichen Welt recht zugewandt. Mit einigen Gesetzen hat er sich dabei beim Volk recht unbeliebt gemacht. Zum Beispiel haben am persischen Öl und Tabakhandel hauptsächlich die Briten verdient, was vielen Einheimischen schon länger ein Ärgernis war. Außerdem hat er ein Kopftuchverbot eingeführt. Ein Burkiniverbot nach französischem Vorbild? Kinderkram.

Ob die Revolution unterm Strich gut oder schlecht für das Land war, darüber höre ich beide Seiten, und jeweils sehr gemäßigte Ansichten. Niemand ist super begeistert oder mega traurig wegen der Revolution. Etwas besser dürfte es jedenfalls sein, aber die Iraner haben doch überraschend reflektierte Ansichten über ihre Politik.

Isfahan

In Isfahan muss man auf den Platz des Imams gehen, wo sich abends viele Iraner beim Picknick treffen. Der Platz ist leider so groß, dass ich nicht mal ein Viertel davon auf die Kamera bekomme – es ist Abend und die angrenzenden Bauten, von denen man einen besseren Blick haben könnte, sind schon geschlossen. Schön beleuchtet ist er aber auf jeden Fall.

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Dann gibt es hier natürlich einen Basar, wo es natürlich auch Unmengen von Gewürzen gibt. Und wie auf den anderen Basaren auch, werden außerdem Schmuck, Teppiche, Tee, Taschen, Schuhe, Klamotten, Obst und Gemüse und alles mögliche mehr gehandelt.

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Dann gibt es da noch dieses eine schicke Bauwerk, von dem mir leider sowohl der Name als auch seine Geschichte entfallen sind. Es steht jedenfalls in Isfahan und sieht so aus:

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Außerdem haben die Safawiden Anfang des siebzehnten Jahrhunderts hier eine beeindruckende Brücke errichtet. Für einen beeindruckenden Namen hat es leider nicht mehr gereicht, und so heißt das Teil jetzt 33-Bogen-Brücke. Dafür gibt es einen einleuchtenden Grund: Sie steht auf 33 Bögen.

Der Fluss macht im Sommer manchmal Pause, sodass ich für die Fotos trockenen Fußes durch das Flussbett marschieren konnte.

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Etwa vierzig Jahre später haben die Safawiden dann noch den Vierzig-Säulen-Palast gebaut. Dieser steht auf… zwanzig Säulen. Um Zedernholz zu sparen und trotzdem dem Namen gerecht zu werden, baute man einen Teich vor den Palast, worin sich die Säulen spiegeln.

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Der öffentliche Fernverkehr im Iran ist übrigens spitze. Zugtickets kauft man einfach am Bahnhof, vorab informiert man sich über die Verfügbarkeit online auf der inoffiziellen Übersetzung der offiziellen iranischen Bahnseite. Obwohl empfohlen wird, die Tickets lange im Voraus zu kaufen, hat man oft auch am Tag vor Abfahrt noch Glück und kann recht spontan unterwegs sein.

Noch einfacher geht es eigentlich nur mit dem Bus. Man nimmt das Taxi zum Busbahnhof und posaunt dort einfach sein gewünschtes Fahrtziel durch die Gegend. Irgendwer schiebt einen dann zum richtigen Bus, das Ticket kann man dann noch kaufen wenn man sitzt. Wir haben zwischen den großen Städten immer zwischen 10 und 15 Dollar für eine einfache Fahrt bezahlt.

Shiraz

Und dann war da noch Shiraz. Eigentlich habe ich eine wüstenartige Tristesse erwartet, wo es doch recht weit südlich und im trockenen Landesinnern gelegen ist. Dass das Gegenteil der Fall ist, das beweist zum Beispiel der Paradiesgarten. Das Foto sieht zwar etwas nach Gedränge aus, im Großteil des riesigen Gartens kann man aber fast alleine spazieren gehen.

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Noch mehr Grün gibt es am Grab von Hafez zu sehen. Hafez war einer der berühmtesten Dichter der Perser und wurde dementsprechend großzügig bestattet. Sein Grabmal steht mitten in einem Garten, in dem man auch mal ganz entspannt ein Stündchen verbringen kann.

Überhaupt hat Persien ziemlich viele kluge Köpfe hervorgebracht. Da gab es Ibn Sina, der im 11. Jahrhundert über Medizin, Mathematik und griechische Philosophie geschrieben hat. Da gab es Ali Shariati, der in den Fünfzigern mit einigen wissenschaftlichen Veröffentlichungen dem Islam einen modernen Anstrich gab und so für viele eine mögliche islamische Revolution erst schmackhaft machte. Und es gab den Mathematiker Alexander Abian, der später in die USA auswanderte. Für den muss ich etwas ausholen.


Der Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts war eine wilde Zeit für die Mathematik. Zwei Mathematiker definierten die ZF-Mengenlehre (ZF als Abkürzung der Namen ihrer Erfinder Zermelo und Fraenkel), die heute den Quasistandard für Mengen aller Art darstellt.

Etwas früher hat ein gewisser Herr Hilbert dazu angeregt, die Mathematik soweit wie möglich zu formalisieren und ihre Widerspruchsfreiheit nachzuweisen. Bis dahin war man zwar in Teilbereichen sehr streng unterwegs, über dem großen Ganzen schwebten aber noch ein paar Fragezeichen. Widerspruchsfreiheit und Vollständigkeit, das sind zwei Eigenschaften, die der Mathematiker sehr schätzt, und die Mathematik als solches hatte das nicht anzubieten.

Anfang der Dreißigerjahre veröffentlichte dann Kurt Gödel einige Schriften, in denen er seinen Unvollständigkeitssatz erklärte. Dieser sagte in etwa folgendes aus: Jedes hinreichend spannende mathematische System ist entweder widersprüchlich oder unvollständig. Hilberts Plan war damit Essig – manche Systeme sind einfach zu interessant, um perfekt zu sein. Ganz ähnlich wie bei Menschen also.

Jedenfalls besteht die ZF-Mengenlehre aus acht Axiomen und ist sehr spannend – damit also auch nicht perfekt. Alexander Abian wies die Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit einer vereinfachten Version von ZF mit nur vier Axiomen nach und leistete damit einen wichtigen Beitrag an den Fundamenten der Mathematik.

In den Neunzigern hat er dann übrigens vorgeschlagen, den Mond zu sprengen. Diese Anregung wurde allerdings nicht im gleichen Ausmaß als wichtiger Beitrag zur Mathematik aufgefasst.


Shiraz bringt auch sonst jede Menge Architektur mit. Die Pinke Moschee ist zentral gelegen und wird am besten morgens besucht, wenn die Sonne durch die Fenster scheint. Wir schaffen es um halb acht, wo die Sonne schon recht hoch ist, bekommen aber trotzdem noch ein nettes Schauspiel zu sehen.

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Persepolis

Etwa eine Stunde mit dem Auto von Shiraz liegt Persepolis. Die alte Hauptstadt der Perser stand gerade einmal 200 Jahre, bevor sie von Alexander dem Großen niedergebrannt wurde. Dafür ist sie übrigens noch ganz gut in Schuss.

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Alexander ist mit zwanzig Jahren Chef von Makedonien geworden und war beim Angriff auf Persepolis gerade 26. Die Stadt wurde also von einem halbgaren Mittzwanziger niedergebrannt.

Die Makedonier finden, wie wir in Skopje ja schon gesehen haben, den Alex ziemlich cool. Er hat sich mit seinen Eroberungen bis in den heutigen Iran und ein Stück nach Zentralasien vorgearbeitet. Gar nicht so übel für die zwölf Jahre, in denen er an der Macht war. Er starb mit 32.

Yazd

Habe ich schon erwähnt, dass der Verkehr im Iran teilweise grauenhaft chaotisch ist? Dieser Busfahrer findet das auch und beschriftet deshalb seinen Bus mit den besten Wünschen:

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Ein anderer, weit weniger segensreich beschrifteter, Bus bringt uns nach Yazd. Wieder kommen wir abends an, wieder begrüßt uns ein wahnwitzig beleuchtetes Bauwerk mit diesem netten Anblick.

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Bevor die Araber im siebten Jahrhundert in Persien einfielen und den Islam mitbrachten, waren die meisten Perser Zoroastrier. Yazd war früher das Zentrum des Zoroastrismus, einer laut Wikipedia einen kosmogonischen Dualismus mit einem eschatologischen Monotheismus vereinigenden Religion. Ist doch wohl klar.

In der Umgebung von Yazd stehen zwei Türme, die Towers of Silence, wo man früher die Toten bestattete. Bestatten, das heißt: Man brachte sie rauf und ließ die Vögel den Rest machen. Die Zoroastrier glauben an die Reinheit der Elemente, und einen Toten zu verbuddeln, das hieße das Element Erde zu verunreinigen.

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Bis auf den Hügel und in die Türme ist es übrigens ein Stückchen, und drückend heiß ist es auch. So ein Zoroastrier muss ganz ordentlich geschwitzt haben.

In Yazd steht noch der Feuertempel. Darin brennt seit angeblich knapp 1600 Jahren eine Flamme, die ein bisschen an das Kaminfeuer auf Super RTL erinnert. Der Tempel selbst ist nicht besonders alt, das Feuer wurde nach seiner Fertigstellung dorthin umgezogen.

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Der Nachtzug von Yazd nach Maschhad ist leider schon Tage im Voraus ausgebucht. Maschhad ist ein wichtiges Ziel für islamische Pilger, denn hier steht der Schrein vom Imam Reza. Und anscheinend steht gerade ein Feiertag an, sodass Zugtickets knapp sind. Wir nehmen den Bus, der nach einer halben Stunde Fahrt sein Kühlwasser auf der Straße lässt. Ein Ersatzbus muss herbei.

Mit acht Stunden Verzögerung kommen wir in Maschhad an. Schon am nächsten Tag laufen die fünf Tage meines Transitvisums für Turkmenistan an, es gilt also keine Zeit zu verlieren. Die Stadtbesichtigung fällt deshalb etwas spärlicher aus und ich mache mich am nächsten Morgen auf den Weg zur turkmenischen Grenze.

4 Gedanken zu „Iran again“

  1. Moinsen! Sehr interessante Artikel, die du da bisher verzapft hast. Das macht Lust auf mehr und auch auf selber dahin zu reisen. 🙂 Ich vermisse jedoch ein paar persönliche Fotos von dir und Leuten, die du so triffst und abhängst. Man weiß schließlich gar nicht, ob du schon Vollbart trägst und nach Mekka salutierst oder solches. 🙂 Hoffe, dir geht’s gut und wir sehen uns bald. Pass uff dich auf und Grüße!

    1. Moinsen Marcel!
      Danke für deinen Hinweis – auch ich habe mir schon gedacht, dass es auf Dauer etwas fad werden könnte, nur die Orte zu dokumentieren. Ich muss nur mal ein Bild machen, auf dem keiner Bad-Hair-Day hat oder schielt. Vielleicht gelingt mir das ja noch.
      Mein Bart bewegt sich übrigens in altbekannten Dimensionen. Und salutiert wird hier in Zentralasien hauptsächlich in Richtung Wodkaflasche – von daher also alles beim Alten! 🙂
      Gruß vom Timo

      1. Ich kann mich da übrigens nur anschließen und wünsche mehr springbilder.
        Und die intensive Lebensmittel Doku vom Anfang vermisse ich 😉

        Aber großartiger schreibstil. fühlt sich an als wäre man dabei (oder mit dir am Bier trinken)

        1. Moin Janis!
          Springbilder sind in Produktion, und – naja, die Lebensmittel-Doku habe ich im Iran tatsächlich sträflich vernachlässigt. In Zentralasien gibt es da glücklicherweise nicht viel zu dokumentieren.
          Mal sehen, was noch kommt. Immerhin, über das Bier kann man sich nicht so sehr beklagen, das ist hier ganz okay.
          Gruß vom Timo

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