Mickymausland

Nach dem Zerfall der Sowjetunion haben sich in Zentralasien mehrere Staaten für unabhängig erklärt. Das waren Kasachstan, Usbekistan, Kirgistan, Tadschikistan und Turkmenistan. Seitdem versuchen sich „die Stane“ mehr oder weniger erfolgreich darin, ein geordnetes Staatswesen auf die Kette zu kriegen. Mein erster Kontakt mit Zentralasien ist Turkmenistan. Ausgerechnet Turkmenistan!

Man sollte den turkmenischen Polizeistaat und auch den Personenkult um seinen ersten Diktator nicht unterschätzen. Turkmenistan lässt sich am besten mit anderen international isolierten Staaten wie Nordkorea oder Großbritannien vergleichen. Hier hat lange Zeit ein Herr Turkmenbashi regiert – so nannte er sich selbst, Vater der Turkmenen. Seit seiner Unabhängigkeit sollte aus Turkmenistan das erste von der UN anerkannte Disneyland der Welt werden. Dieser Staat ist eine einzige mit Petrodollars finanzierte lustige Show.

Die Sache mit dem Geld

Es gibt Haufenweise Geldautomaten in Ashgabat, es gibt auch einige in Mary und Turkmenabat – die meisten akzeptieren aber leider keine Visa-Karten, sodass man als Tourist dort kein Geld bekommt. Wenn man einen Automaten findet, spuckt dieser den turkmenischen Manat zum offiziellen Kurs von etwa dreieinhalb Manat pro Dollar aus. Der offizielle Kurs ist von der Regierung festgelegt, der eigentliche Wert dieser Währung ist deutlich niedriger. Ich habe auch gerüchteweise von Automaten gehört, die Dollar ausspucken, derer habe ich jedoch keinen gefunden.

Man kann in Ashgabat einen Automaten finden, der Visa-Karten akzeptiert. Für mich hat sich dieses Vorgehen bewährt:

  • Man sucht einen Taxifahrer, zeigt ihm die Kreditkarte und gibt ihm zu verstehen, dass man ihn erst bezahlen kann, wenn man Geld abgehoben hat.
  • Man einigt sich auf einen Preis von knapp 15 Manat. Der Fahrer glaubt, den doofen Touri abgezogen zu haben.
  • Man lässt sich die kurze Strecke zum erstbesten Automaten bringen, der die Karte nicht akzeptiert. Mit hängenden Mundwinkeln gibt man dem Taxifahrer zu verstehen, dass er kein Geld bekommt.
  • Der Taxifahrer nimmt die Karte und geht in die Bank. Am Empfang redet er sehr viel in fremden Zungen und wird in den ersten Stock geschickt. Einfach hinterherlaufen.
  • Im ersten Stock befindet sich das Büro für internationale Finanzangelegenheiten oder so, worin drei Gestalten wie Hühner auf der Stange sitzen. Dort redet er noch mehr in fremden Zungen, um eine Wegbeschreibung zum nächsten Visa-Automaten zu erhalten.
  • Man verlässt die Bank mit dem Taxifahrer und lässt sich die lange Strecke zu einem Visa-Automaten bringen.
  • Man hebt Geld ab und zahlt den vereinbarten Preis.

Ashgabat

In der Hauptstadt Disneylands gibt es einiges zu sehen. Nur leider kaum Menschen. Dafür viele Gebilde aus weißem Marmor, die der große Diktator hier aufgestellt hat. Zum Beispiel das folgende.

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Und das Opernhaus.

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Und den Fernsehturm.

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Und ein Haus mit einem blauem Ball statt einem Dach.

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Für Regierungsgebäude herrscht ein strenges Fotografieverbot. Die obigen Gebäude dürfen ebenfalls nicht fotografiert werden, denn in Ashgabat ist jedes Gebäude ein Regierungsgebäude. Wenn man aber mit einem Taxi für ein paar Manat eine Rundfahrt durch die Stadt macht, kann das ja keiner kontrollieren.

Im Taxi läuft die passende Musik für dieses Land: Die Remix-Platte von Modern Talking aus den Neunzigern. Als ich einsteige, läuft Brother Louie. Dummerweise erwähne ich, dass ich aus dem gleichen Land komme wie die Musik – der Fahrer dreht laut. Beim Fernsehturm sind wir schon bei Sexy Sexy Lover angekommen. Eine knappe Stunde später steige ich, begleitet von den Klängen von You’re My Heart, You’re My Soul, aus. Vielen Dank, reicht dann auch für heute.


Den Trick mit dem Taxi sollte man unbedingt anwenden. Also nicht so wie ich am ersten Abend, als ich ein paar Bilder vom strahlend weiß verkleideten Bahnhof machen wollte. Plötzlich stehen vier Typen, einer mit Uniform, um mich herum und machen traurige Gesichter. Ob ich russisch kann, will einer wissen. Ich setze mein debilstes Touristengrinsen auf und sage damit soviel wie „Natürlich kann ich gerade kein russisch, sonst kackst du mich nur an, das merke ich doch!“

Ein paar Typen in Uniform kommen dazu, auch die können zwar kein Englisch, dafür aber traurige Gesichter machen. Sieben Gesichter schauen mich an, als hätte ich gerade Bambis Mama getötet. „Foto No!“ sagt einer. Ich wiederhole das und mache auch ein trauriges Gesicht, um soviel zu sagen wie „Es tut mir sehr leid, dass ich eure Vorschriften missachtet habe, die im komplexen soziokulturellen Kontext eures Landes sicherlich Sinn ergeben. In irgendeinem Paralleluniversum oder so. Und die Sache mit Bambis Mama tut mir auch leid.“

Einer will meinen Reisepass sehen, den ich aber leider im Hotel gelassen habe. Ich sage ihm das und ernte wieder hängende Mundwinkel. In Disneyland ist jetzt offiziell Staatstrauer. Na gut, ich lösche die Fotos vom Bahnhof und zeige einem von den neun wichtig ausschauenden Typen, dass die Bilder auch wirklich weg sind. Das hilft. Noch ein paar belehrende russische Worte zu Fotos und Reisepässen, und die zwölf traurigen Sittenwächter lassen mich ziehen.


Etwas Kultur gibt es hier auch noch. Und zwar in Nissa, einer ziemlich alten Stadt. Die einstige Partherstadt ist lange nicht mehr bewohnt und wurde erst vor kurzem wieder ausgegraben. Es gibt hier unglaublich viel getrockneten Schlamm zu sehen, wie auf den Fotos zu erkennen ist.

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Immerhin, ich habe einen Ort mit einer Geschichte gefunden. Und er ist nicht mit weißem Marmor verkleidet. Das ist doch mal was.

Der Rest

Nach Ashgabat kommt dann auch nicht mehr viel. Ich fahre mit dem Zug nach Mary, dritte Klasse – wegen des islamischen Opferfestes, das übermorgen beginnt, ist der Zug ziemlich voll. Viele Turkmenen besuchen ihre Angehören, drei Tage verbringt man zusammen und isst währenddessen recht viel.

Die Leute schauen mich an wie ein Tier im Zoo – nachdem sie sich aber erst an meinen eigenartigen Anblick gewöhnt haben, sind sie alle unglaublich freundlich. Ich habe schreckliche Dinge über die Sauberkeit der turkmenischen Züge gehört und kann sie nicht bestätigen. Für umgerechnet drei Euro bringt mich ein ganz akzeptabler Zug ans Ziel. Er braucht dafür allerdings quälend lange sieben Stunden.

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In Mary steht noch ein bisschen mehr Marmor. So zum Beispiel das im Titelfoto abgebildete Haus. Außerdem gibt es hier eine Moschee, die ein bisschen ausschaut wie ein riesiger marmorner Käfer:

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Mary ist interessant wegen eines Nachbarortes, der schon lange nicht mehr bewohnt ist: Merv. Ein Taxi bringt mich für 70 Manat hin und zurück, das Spektakel kann man entspannt in drei Stunden absolvieren. Merv war eine richtig wichtige Stadt damals, ein Zentrum für Kultur und Handel, wo viele Leute gelebt haben. Merv wurde im 13. Jahrhundert von den Mongolen niedergebrannt. Erhalten geblieben ist aber unter Anderem dieses Mausoleum.

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Ich teile mir ein Taxi nach Turkmenabat mit drei Turkmenen. Es ist mit 40 Manat deutlich teurer als der Zug, dafür aber auch unfassbar schnell. Turkmenabat hat nichts zu bieten – hier fließt der doch recht schmutzige Amudarya durch, und die Häuser sind nicht verkleidet, sondern billig verputzt. Endlich mal ein ehrlicher Ort in diesem Land.

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Das Hotelzimmer kostet mich 60 Dollar, was ein unglaublicher Wucher ist. Ein Taxifahrer erzählt mir am nächsten Tag, dass er für ein Zimmer 20 Manat bezahlt – etwa drei Dollar zum Schwarzmarktkurs. Und mehr ist das Zimmer auch nicht wert, wenn man nicht gerade ein Fan von Geisterbahnen ist.

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Apropos, da war ja noch der Schwarzmarkt. Was habe ich gerade nicht einstecken? Dollar. Mit was will der Typ an der Rezeption bezahlt werden? Dollar. Manat nimmt er nicht. Logisch, deren eigene Währung ist ja nur ein schlechter Scherz – die würde ich als Hotelier auch nicht akzeptieren. Andererseits ist das hier ja wohl nicht ernsthaft ein Hotel.

Ich darf also meine Manat noch in Dollar wechseln – die Bank hat natürlich geschlossen, denn es ist ja Opferfest. Vor dem Bahnhof tausche ich 400 Manat gegen 63 Dollar und kann so das Hotelzimmer bezahlen. Da ich hier nur den Schwarzmarktkurs für meine zum offiziellen Kurs abgehobenen Manat bekomme, hat mich das Zimmer effektiv 100 Euro gekostet. Was eine Abzocke.

Zum Glück geht es morgen weiter nach Usbekistan.