Ohne Plan nach Teheran

Zwischen Jerewan und Teheran verkehrt ein Bus. In den kann man einfach so einsteigen und sich in den Iran kutschieren lassen. Nun bin ich in Jerewan in die Marschrutka gestiegen, die mich hinter Meghri rausgeworfen hat. Ich laufe über den Aras: Der Fluss markiert die natürliche Grenze zwischen Armenien und dem Iran. Dahinter begrüßt mich der Grenzer mit Handschlag und den Worten „Welcome to Iran“.

Wenig später an der Gepäckkontrolle: Der zweite Iraner, den ich treffe, findet die Untersuchung meines Gepäcks eher unspannend und lädt mich stattdessen auf einen Tee ein. Er wird nicht der letzte bleiben – es ist ziemlich verrückt, wie gastfreundlich die Leute im Iran sind. Alle. Immer.

Hinter der Grenze ist es ruhig: Der Grenzposten Nordooz besteht nur aus ein paar Hütten, einer Wechselstube und einem Kiosk. Auf dem Parkplatz davor warten zwei Taxis. Die nächste Stadt ist Jolfa, in 60 Kilometern Entfernung, und bietet mit ihren 5000 Einwohnern leider nicht viele Möglichkeiten zum Unterkommen. Eines der beiden Taxis fährt mich nach Tabris.

Die Fahrt kostet mich 35 Dollar, oder etwa 1,2 Millionen iranische Rial. Was ich nicht weiß: Der Fahrer berechnet den Preis in Toman – der Toman ist die alte persische Währung und entspricht 10 Rial. Er ruft also in Tabris den Betrag von 120.000 auf und ich reiche ihm die entsprechenden Scheine. Dreieinhalb Dollar für gut zwei Stunden Fahrt, das findet der Fahrer etwas spärlich. Erst später merke ich, dass hier eigentlich jeder zum Rechnen noch den Toman benutzt und man alle Preise mit 10 multiplizieren muss.

Wir kommen Freitag Abend um zehn in Tabris an, man wirft mich vor dem Sina Hotel raus – es gibt noch ein freies Zimmer für mich. Die Stadt begrüßt mich mit heruntergelassenen Rollläden, nichts zu kaufen, keine Leute auf der Straße. Ich lege mich dann erstmal schlafen. Erst am nächsten Tag zeigt sich: Tabris ist richtig abgefahren. Hinter jedem Rolladen verbirgt sich irgendein Laden. Viele Iraner schauen neugierig, wer ein bisschen Englisch kann, versucht ein „Hellowhereyoufrom?“ – ausländische Touristen treffe ich in Tabris keine.

Arbeitsteilung wird hier übrigens allgemein recht groß geschrieben, so wie in diesem Laden, der ausschließlich Möhren verkauft:

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Oder dieser, der für Taxischilder zuständig ist und sonst für gar nichts:

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Auch sonst gibt es in Tabris sehr viel zu sehen. Einige Leute vermuten hier sogar den Ort, den die Bibel als Garten Eden kennt. Die blaue Moschee im Stadtzentrum ist sehr alt, sehr erdbebenversehrt und nichtsdestotrotz noch sehr schön anzusehen. Im Jahr 1779 hat ein Erdbeben große Teile der Moschee verwüstet, die Restauration dauert an.

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Direkt nebenan befindet sich das Aserbaidschan Museum. Die iranische Region Aserbaidschan war schon als Provinz des persischen Reiches unter dem Namen Atropatene in Betrieb und hat mit der heutigen Republik Aserbaidschan nicht viel zu tun. Im Museum sind Jahrtausende alte Ausgrabungen und viele neuere Kulturobjekte aus diesem Landstrich ausgestellt. So zum Beispiel diese drei verdrießlichen Herren beim Workout.

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Und direkt nebenan steht noch der große Basar, der größte überdachte Basar der Welt – er ist groß genug, um sich ordentlich zu verlaufen und natürlich ein Welterbe. Wem das alles zu viel ist, der kann natürlich auch raus nach Kandovan fahren.


Kandovan ist ein Bergdorf in der Nähe, ich absolviere die Fahrt bis Osku mit dem Sammeltaxi und fahre dort weiter mit einem Taxi. Die Bezeichnung Bergdorf trifft es hier wirklich richtig gut, denn es liegt nicht nur am Berg wie andere Bergdörfer, sondern der Großteil des Orts wurde tatsächlich direkt in den Sandstein des Bergs hineingeballert.

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Kandovan kann ganz locker an einem Nachmittag von Tabris aus erkundet werden. Neben dem vielen Sandstein gibt es einen Bach und dahinter recht viele Restaurants. Touristen ist man in dem Nest gewohnt; ich bin hier aber vermutlich der einzige Ausländer an diesem Tag.

Beim Kebap treffe ich Mostafa und seine Familie, die eigentlich aus dem Süden Irans kommen und hier Urlaub machen. Danach fahre ich mit ihnen nach Tabris zurück – sie haben ohnehin den gleichen Weg wie ich, Widerspruch akzeptieren sie nicht. Mostafa ist Ingenieur, er hat studiert und spricht fließend Englisch. Er ist kein Befürworter der islamischen Republik – die Abgrenzung vom Westen mit ihren wirtschaftlichen Nachteilen wie auch die fehlende Trennung von Staat und Religion mit ihren freiheitlichen Nachteilen sieht er kritisch.

Schon im Sammeltaxi hierher erzählte mir ein älterer Mann, dass seine beiden studierten Söhne aktuell nicht in ihrem Beruf arbeiten. Viele gut ausgebildete Iraner scheinen sich hier zu fragen, warum sie in einem Staat leben sollen, der ihnen so wenige Möglichkeiten bietet und ihnen gleichzeitig so viele Vorschriften macht.


Tabris hat übrigens ein ganz schickes Rathaus, in dessen Dach eine deutsche Uhr tickert. Und etwas weiter wartet die Zitadelle von Tabris, die ebenfalls schon so manches Erdbeben verwunden hat und deshalb zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt zählt.

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Aus Tabris hinaus führt mich der Nachtzug nach Teheran, Abfahrt zwanzig nach acht, für etwa 11 Euro. Er erreicht Teheran nach knapp 13 Stunden. Das Interieur ist einfach, aber sauber und kann sich sehen lassen. Das Unterhaltungsprogramm: Auf dem Gang dudelt persische Popmusik, im Abteil läuft ein Film auf zwei Monitoren.

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Mein Programm für Teheran besteht darin, einige Botschaften abzuklappern. Die Stadt hat zwar einen Basar, viel moderne Architektur und Museen zu bieten, das interessiert mich aber nicht so sehr wie mein chinesisches und tadschikisches Visum. In Teheran treffe ich Tim, der eine ganz ähnliche Tour plant wie ich, und daher ganz ähnliche Visa-Probleme hat wie ich. Da wir beide noch zwei Tage bis Sonntag warten müssen, wenn die chinesische Botschaft wieder öffnet, machen wir einen kurzen Trip nach Kaschan.


Kaschan liegt in der Wüste und wartet mit einem ganz netten historischen Ortskern auf. Außerdem kann man von hier ganz prima Touren ins Umland unternehmen – wir beschließen, die Nacht in einer alten Karawanserei zu verbringen. Unterwegs sehen wir Kamele. Und den Sonnenuntergang an einem ausgetrockneten Salzsee. Und schließlich kommen wir auch in der Karawanserei an.

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Wir erwarten die Nacht mit Tee, dazu gibt es Thunfisch und Mais aus der Dose. Obwohl in den Räumen in der Karawanserei Teppiche liegen, schlafen wir lieber draußen auf einer Decke. Um Punkt sieben Uhr morgens steigt die Sonne über die Mauer und sticht ins Gesicht. Es wird schlagartig zwanzig Grad wärmer – Zeit zum Aufstehen.

Auf der Rückfahrt schauen wir uns eine unterirdische Stadt an. Dort ist es wieder schön kühl, allerdings wohnt da niemand mehr. Angeblich haben es hier mal 4000 Leute ausgehalten, das Gedränge mag ich mir aber gar nicht erst vorstellen.

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Es folgt Abyaneh, ein altes Dorf aus rotem Lehm, das sehr wohl noch bewohnt ist. Die Burg hier ist noch aus der Zeit der Sassaniden, die vom vierten bis zum siebten Jahrhundert in Persien das Sagen hatten. Und die rund dreihundert Bewohner sind recht starrsinnig in Ihren Bräuchen – zumindest sagt dem Touristen das die Broschüre – sodass das Dorf viele historisch interessierte Besucher aus dem In- und Ausland anzieht.

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Wir erreichen Teheran am Samstag Abend. Im Internet liest man, dass die chinesische Botschaft hier recht entspannt Visa an Touristen verteilt. Am Sonntag stehen wir guten Mutes bei der chinesischen Botschaft auf der Matte – und erfahren, dass man für Touristen nicht zuständig sei. Aus unseren chinesischen Visa wird also erstmal nichts.