Wandern in China

Das Reich der Mitte verblüfft den Europäer mit seiner schieren Größe, gigantischen Städten und einem originellen Umgang mit geistigem Eigentum. Schöne Landschaften gibt es hier aber auch – und die sind meistens ziemlich steil. Drei schöne Beispiele für Wandern auf chinesisch.

Hua Shan

Der Hua Shan ist einer von fünf heiligen Bergen des Daoismus, knappe zwei Stunden mit dem Bus von Xian entfernt und in einer Tagestour gut machbar. Das Ticket für zwei Tage kostet etwa 20 Euro, eine Seilbahn zum North Peak für 10 Euro pro Fahrt gibt es ebenfalls.

Besonders berühmt ist er für eine Brücke, bei der sich dem deutschen Ingenieur die Fußnägel aufrollen – die Death Plank. Unten ist aber noch alles ganz idyllisch, ein Bach bahnt sich seinen Weg durch haufenweise Geröll, ansonsten gibt es hier nur Wald.

_dsc07631

Man muss nicht sonderlich weit wandern, um schon im Tal zu merken, dass dieser Berg es wirklich ernst meint – von wegen steil und so. Glücklicherweise ist der Wanderweg gut ausgebaut. Man sieht auch, dass ich mir nicht das beste Wanderwetter ausgesucht habe.

_dsc07646

Offenbar sind die Chinesen große Fans von steilen Treppen, denn die findet man hier am Berg haufenweise. Ich nutze die Gelegenheit für eine kleine Pause und ein Foto von meinen neuen Schuhen.

_dsc07754

Besonders schön ist dann, wenn man die Obergrenze der Wolken erreicht und das Wolkenmeer im Tal wabern sieht. Im oberen Teil des Bildes: Noch mehr Wolken. Erwähnte ich schon, dass ich mir nicht das beste Wetter zum Wandern ausgesucht habe?

_dsc07800

Etwas weiter kommt dann schon der North Peak. Nach drei Stunden strammen Treppensteigens wäre das der ideale Zeitpunkt, einmal durchzuatmen und sich in der Abgeschiedenheit darüber zu freuen, den widrigen Bedingungen der Natur getrotzt zu haben. Daraus wird leider nichts, weil haufenweise Chinesen mit der Seilbahn hochkommen und an allen Ecken und Enden Selfies machen. Man tut es ihnen also gleich und marschiert nach ein paar Selfies weiter.

Dann war da noch die Messerklinge. Das halte ich für einen ziemlich treffenden Namen für dieses Ding hier:

_dsc07852

Und ja, auch hier, oben auf die Klinge, hat jemand eine steile Treppe gebaut und alle fanden das in Ordnung und die Regierung hat nichts dagegen unternommen und die Wanderer sehen auch kein Problem darin sie zu benutzen und links und rechts nichts als Abgrund zu sehen und da steht sie bis heute und niemanden wundert das. Hier mal ein Bild von oben aus betrachtet.

_dsc07872

Bis zum Death Plank habe ich es übrigens nicht geschafft. Ich habe nur einen Tag zum Wandern eingeplant und finde den Bus und den Ticketschalter etwas verwirrend. So komme ich erst nach einiger Verzögerung um zwölf Uhr so richtig zum Wandern und erreiche bis halb fünf den West Peak. Dort drehe ich dann um. Den zweiten Tag des Tickets nutze ich aufgrund eines eklatanten Muskelkaters nicht mehr.

Huang Shan

Achtung, nicht verwechseln: Hua Shan und Huang Shan. Der gelbe Berg ist etwa zehn Stunden mit dem Bummelzug von Shanghai entfernt. Das Ticket für zwei Tage kostet hier 33 Euro, mit Studentenausweis nur die Hälfte. Ich zeige die Karte meiner Krankenkasse vor – da die meisten Mitarbeiter mit lateinischen Buchstaben nicht so intim sind, geht das klar – und spare mich reich.

Hier hat sich James Cameron angeblich für die Berge inspirieren lassen, die den von blauen Männchen bewohnten Planeten aus einem seiner Filme zieren: Titanic.

Im Tal startet es wieder ganz easy. Bach, Bäume, Tempel. Gut ausgebaute Wanderwege, ein paar Treppen.

_dsc08062

Etwas weiter oben wird es schon gruseliger. Das liegt zum Einen am suboptimalen Wanderwetter, das ich mal wieder ausgesucht habe; zum Anderen an den immer steiler werdenden Treppen, die auch hier offenbar niemand als Grund zur Beanstandung empfindet.

_dsc08088

Ziemlich weit oben ist dann eine der vielen Aussichtsplattformen, die über einer Klippe gebaut sind und den schweifenden Blick ins Tal ermöglichen. Ich raste einen Moment und genieße die Aussicht in vollen Zügen.

_dsc08098

Nach einigen dramatischen Treppen treffe ich diesen netten Kollegen hier, den es zu überqueren gilt. Glitschige Stufen und ein niedriges Geländer vermitteln ein angenehmes Gefühl der Sicherheit.

_dsc08132

Captain Obvious war auch schon mal zum Wandern hier und hat bei seinem Besuch das folgende nette Schild aufgestellt: UP HERE. Ich folge in seinen Fußstapfen und erklimme die nächste alternativlose Treppe, an deren Ende der Gipfel auf mich wartet.

_dsc08141

Oben angekommen, sieht man natürlich rein gar nichts. Der Nebel hat sich in ein bisschen Nieselregen verwandelt und ich möchte die andere Seite heruntersteigen, wo die Bergstation der Seilbahn steht. Unterwegs dorthin erwartet mich noch die folgende schöne Stelle.

_dsc08169

Irgendwo im Tal fällt von meinem hysterischen Gelächter vermutlich ein Sack Reis um.

Die Seilbahn hat an dem Tag geschlossen, sodass mir nichts anderes übrig bleibt, als um fünf Uhr noch den Rückweg ins Tal anzutreten. Da freut es mich doch sehr, dass die untere Hälfte des Weges beleuchtet ist. Alles in Allem endet so eine sehr spektakuläre Wanderung.

Zhangjiajie

Zhangjiajie ist ein Nationalpark und rangiert auf meiner persönlichen Liste unaussprechlicher Worte ziemlich weit vorne. Auf dem Todesklippenindex belegt er hingegen eher einen der hinteren Plätze, da die Wege breit und nicht zu steil sind. Eine angenehme Abwechslung.

Auch hier kann man Wandern, das Ticket für vier Tage kostet aber wahnwitzige 35 Euro. Studentenrabatt gibt es nur bis zum Alter von 24 Jahren. Dafür ist es ein riesiges Gebiet und Shuttlebusse bringen den Besucher kostenlos zu den interessantesten Ecken. Diese sehen zum Beispiel so aus:

_dsc08266

In Zhangjiajie treffe ich auch Oona und Ian wieder, die ich noch aus Almaty kenne und die inzwischen auf ihrem Weg von Hong Kong nach Peking sind. Neben einer legendären Wandertour und der besten Mahlzeit der Welt auf Auberginenbasis (sie trägt den verführerischen Namen The Scent of Sizzling Eggplant) ist natürlich auch ein Selfie an einem Aussichtspunkt fällig.

_dsc08315

Die beiden betreiben einen großartigen Reiseblog mit grandiosen Fotos, den ich jedem nur wärmstens ans Herz legen kann: Wrong Train Right Place.

Von einem ziemlich hohen Punkt im Nationalpark (einen wirklichen Gipfel gibt es hier glaube ich nicht), fährt ein kolossaler Aufzug nach unten. Hier die Eingangstür auf der 326. Etage, die die Sicht auf die gegenüber liegenden Berge freigibt.

_dsc08343

Nach zwei lustigen Tagen in Zhangjiajie endet unser Wiedersehen auch schon wieder und die beiden ziehen weiter. Mein nächster Halt ist Chengdu, wo ich auf Pandas und scharfes Essen hoffe.

Nach jeder Wanderung war ich Abends ziemlich platt. Der Muskelkater am nächsten, und manchmal auch übernächsten Tag, war ebenfalls nicht zu verachten. Am Ende war China also ein ziemliches Wander-Massaker, obwohl ich bei Antritt meiner Reise nur den Hua Shan auf dem Plan hatte. Ein voller Erfolg.