Xinjiang

China ist bekannt wegen seiner etwa 5000-jährigen Geschichte. Nun ist nicht alles in China immer schon chinesisch gewesen, wie zum Beispiel der nordwestliche Teil des Landes. Der hatte mal zum Kaiserreich gehört, dann mal wieder nicht, bis er dann 1949 nach Ausrufung der Volksrepublik wieder zu China dazugestoßen ist. Oder anders ausgedrückt, annektiert wurde. Xinjiang – was auf chinesisch soviel heißt wie „neue Gebiete“.

Xinjiang ist Heimat der Uiguren. Dieses Völkchen hat auf den ersten Blick mehr Gemeinsamkeiten mit den Bewohnern der Stane als mit den Chinesen, und damit könnte ein unannektiertes Xinjiang ganz gut auch als ein eigenständiges Uiguristan durchgehen. Jedenfalls sehen das einige Bewohner so, sodass Aufstände von Separatisten gegen die Regierung hier nicht ganz unbekannt sind. Auch schön: Xinjiang war mal von den Tibetern besetzt – heute gehören beide zu China.

Aber erstmal muss man ja hinkommen. Nachdem ich in Bishkek zwei Wochen darauf gewartet habe, dass mein Reisepass mit dem chinesischem Visum wieder aus Deutschland zu mir zurück kommt, ist meine Reiseplanung etwas in Verzug geraten. Eigentlich will ich den Zug von Almaty nehmen, der immer Samstag und Montag Nacht fährt. Mein Pass kommt Dienstags an, genau einen Tag zu spät für den Zug am Montag – und der nächste Samstag ist noch hin. Keine schöne Aussicht.

Der Schlafbus

Ich lese im Internet von einem Bus, der täglich zwischen Almaty und Ürümqi verkehrt – und siehe da, der existiert tatsächlich. Tickets kauft man an Schalter 3 im Sairan-Busbahnhof für 36 Euro und um sieben Uhr in der Früh geht es los. So sieht der Bus aus:

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Im Innern wird klar, warum das hier wirklich mal eine coole Sache ist. Ich sitze in einem Schlafbus! Die Kopfteile der Liegen sind leicht erhöht, sodass der Hintermann Platz für seine Füße hat, und der Gang ist mit einem Teppich ausgekleidet. Seine Schuhe sollte man deshalb an der Eingangstür ausziehen, um keinen Ärger vom stiernackigen Busfahrer zu bekommen, so wie ich.

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Auf der kasachischen Seite ist dank der Straßenverhältnisse an Schlaf überhaupt nicht zu denken. Sobald man aber am frühen Abend den Grenzübergang Huerguosi überquert hat, wird es schlagartig besser. Viele andere Dinge fühlen sich ebenfalls schlagartig nach China an: Lächelnde Chinesen, bunte Beleuchtung, scharfes Essen.

Huerguosi kennt übrigens in China kaum jemand, wie ich noch merken werde. Die Unterkünfte müssen neben dem Namen der Gäste auch den Ort der Einreise dokumentieren. Mich werden noch viele chinesische Hostel-Mitarbeiter fragen, woher dieser täuschend echte Einreisestempel in meinem Pass kommt. Besonders schön fand ich die Variante in Shanghai: „Sorry, I cannot read this. Did your plane arrive in Beijing or Shanghai?“

Ürümqi

Die Hauptstadt der Xinjiang-Provinz ist Ürümqi, die sich unter Anderem damit einen Namen gemacht hat, dass sie sehr weit vom Meer entfernt liegt – gut 2000 Kilometer in jede Richtung. Überdies ist sie auch sehr weit von allem anderen entfernt; im Süden liegt die Taklamakan-Wüste, im Nordosten die Gobi, im Westen das Tianshan-Gebirge. Mein Bus kommt morgens um halb acht an und ich überzeuge mich davon, dass es hier auch schrecklich kalt ist.

Außerdem in Ürümqi: Das Xinjiang Museum, in dem die Geschichte der Provinz dargestellt wird. Es zeigt Klamotten, die mir nicht passen würden und Kunst, die ich nicht verstehe. Es ist trotzdem sehenswert und kostet, nebenbei erwähnt, keinen Eintritt.

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Im Zentrum gibt es so etwas wie einen Stadtpark, den roten Berg. Darauf steht eine Pagode und man hat eine ganz nette Aussicht über die Stadt.

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Auf keinen Fall verpassen sollte man den Xinjiang Tee. Ich habe keine Ahnung, was die Zutaten sind – offensichtlich irgendwelche Beeren und Gewürze, die ich aber nicht näher identifizieren konnte. Er schmeckt fabelhaft und sieht auch noch prima aus.

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Tianshi, den Himmelsee, erspare ich mir. Er liegt etwa 100 Kilometer östlich von Ürümqi und gehört zum Welterbe, ist aber anscheinend inzwischen auch ganz gut touristifiziert. Also nicht unbedingt ein naturbelassenes Erlebnis, wenn er auch nach wie vor umwerfend aussehen muss. Weiter geht’s nach Turpan.

Turpan

Tulufan, wie es der Chinese nennt, ist eine alte Oasenstadt an der Seidenstraße. Es liegt in der Turpan-Senke, die zu den drei tiefstgelegenen Orten der Welt zählt, etwa 150 Meter unter dem Meeresspiegel.

Die Stadt dürfte vor Allem für Hobby-Archäologen interessant sein, weil hier unzählige Überreste früherer Zivilisationen rumstehen. Also sehr viel getrockneter Schlamm. Dieser umfasst die Ruinenstädte Gaochang und Jiaohe, die 1000-Buddha-Höhlen und ein Bewässerungssystem, dessen Name mir entfallen ist. Am wichtigsten scheint mir Gaochang, das früher mal eine Mischung aus Hauptstadt und Kultstätte war. So richtig weiß ich das aber nicht. Hier der Schlamm von Gaochang.

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Etwa zehn Kilometer weiter stehen die 1000-Buddha-Höhlen. Es sind ungefähr 20 Höhlen, von denen nur fünf zur Besichtigung geöffnet sind. Die Buddha-Zeichnungen im Innern sind schon ordentlich verwaschen und Fotos natürlich nicht erlaubt. Ein Aufpasser meint bei meinem Besuch noch, mich auf Schritt und Tritt verfolgen zu müssen. Derart angespornt, mache ich natürlich in einem unbeobachteten Moment ein Foto in einer Höhle. Von wegen wer zuletzt lacht und so.

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So richtig spektakulär fand ich die Höhlen jetzt nicht. Unterm Strich war das dann aber auch wieder genug Archäologie für eine Weile.

Ach ja: In Turpan befindet sich das größte Minarett in ganz China. Da es aber erst im 18. Jahrhundert erbaut wurde, fällt es nicht in die Kategorie Archäologie. Es ist trotzdem ein kleines Schmuckstück.

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Essen

Und bevor da einer nach fragen muss, chinesisches Essen gibt es hier auch. Zum Beispiel hält der Bus nach Ürümqi ziemlich bald hinter der Grenze zum Snacken, wo mich dieses freundliche Nudelgericht begrüßt. Die grünen Dinger sind keine Paprika.

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Hier noch was mit Reis und Rosinen, von dem mir nicht das Gesicht gebrannt hat. Es sollte aber die Ausnahme bleiben.

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Und natürlich gibt es massenhaft Street Food, wie hier auf dem Markt in Ürümqi. Das Zeug an den Stäbchen ist nicht unbedingt scharf, bis es in dem Topf mit der unheilvollen roten Flüssigkeit im Vordergrund gegart wird.

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Noch mehr Street Food gibt es in einer kleinen Straße unweit des Hostels, diesmal ohne Soße. Es wird gebraten und dann in Pfeffer und Chilipulver begraben.

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In Turpan finde ich dann ein Restaurant, wo es einfach mal eine Suppe gibt. Die ist auch einfach nur lecker, ohne Brennen. Der Salat daneben hat es dafür umso mehr in sich.

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Ich hatte noch kurz überlegt, ob nicht noch ein Halt in Kashgar und Dunhuang drin gewesen wäre – die Antwort fällt bei den Temperaturen Mitte November aber recht eindeutig aus.

Der nächste Halt ist dann also auch schon Xian. Ich freue mich auf mehr scharfes Essen und etwas wärmeres Wetter.