Indien Obenrum

India is the crown of travel. Das hat mir einer im Hostel in Teheran mal gesagt. Ich habe sicherheitshalber mal ehrfürchtig genickt, obwohl ich natürlich keine Ahnung hatte, was der damit meint. Jedenfalls war ich mir absolut sicher, dass ich nach sieben Monaten auf Tour natürlich schon alles gesehen haben würde. Weit gefehlt.

Lisa und ich werden von einem Bus in Bhairahawa rausgeworfen und lassen uns die letzten drei Kilometer von einem Taxi zur indischen Grenze bringen. Nach dem üblichen Tänzchen zur Aus- und Einreise suchen wir den vielgepriesenen grün-weißen, klimatisierten Touristenbus, der nach Varanasi fährt. Der Busbahnhof in dem Grenzörtchen Sunauli ist sehr übersichtlich, den gesuchten Bus finden wir trotzdem nicht – dafür ein anderes völlig überfülltes Gefährt, dass uns nach Gorakhpur bringt. Das ist immerhin ein Teilerfolg, kostet uns allerdings den Großteil der Entspannung, die wir vom Rumhängen in Pokhara noch mitgebracht haben.

In Gorakhpur kaufen wir uns ein Zugticket nach Varanasi für wahnwitzige 85 Rupien und folgen der einzigen Essensregel, die wir aus Nepal mitgebracht haben: In den verranztesten Schuppen gibt es das beste Essen. Unweit vom Bahnhof findet sich ein ziemlich verranzter Schuppen, in dem wir ziemlich hervorragendes Paneer Butter Masala bekommen.

Etwas später im Zug stellen wir fest, dass wir ein Ticket ohne Sitzplatzreservierung für die dritte Klasse bekommen haben – diese ist natürlich völlig überfüllt. Im Grunde sind alle Züge in Indien ständig auf Wochen im Voraus ausgebucht, und am Schalter bekommt man spontan nur die Tickets für die Viehtransportabteile. Keine schönen Aussichten für die sieben Stunden Fahrt bis Varanasi. Ein netter Typ mit Maschinengewehr lässt uns in einem Schlafwagen neben sich auf der Pritsche Platz nehmen. Er ist hier anscheinend der Aufpasser und wird während der Fahrt mehrmals den Zug auf und ab laufen.

Varanasi

In Varanasi werden Menschen verbrannt. Das Städtchen am Ganges ist bei Hindus ziemlich heilig, die erstens hier im Fluss baden wollen, solange sie noch leben, und zweitens hier am Flussufer verbrannt werden wollen, sobald sie nicht mehr leben. So ziemlich das gesamte Ufer ist von Treppen, den sogenannten Ghats, eingefasst.

Laut Wikipedia haben die Ghats einen wichtigen Zweck: die Treppen halten freilaufende Tiere (v.a. Kühe) und deren Exkremente vom Wasser fern. Das ist doch unglaublich nützlich!

Andere Touristen berichten mir später davon, wie sie Inder dabei beobachteten, Leichenteile aus dem Ganges zu fischen – manchmal klappt die Einäscherung wohl nicht vollständig; die Reste werden trotzdem mit der Asche im Fluss verstreut. Jemand anderes findet sie dann und holt sie wieder raus. Alltag in Indien.

In Varanasi bekommt man nebenbei auch ein fabelhaftes Lassi. Erhältlich zum Beispiel in den Geschmacksrichtungen Ananas oder Blaubeer-Schokolade. Hier ein Serviervorschlag:

Am Abend findet in Varanasi eine Art Feier statt, die anscheinend ebenfalls einen religiösen Hintergrund hat. Auch hier wird sehr viel Feuer gemacht.

Unseren nächsten Stop Agra wollen wir per Bus erreichen – die Onlinebuchung funktioniert leider nur mit indischer Kreditkarte und indischer Mobilnummer. Der Gastgeber unserer Herberge hilft uns gerne, kommt allerdings wegen technischer Probleme auch nicht weiter als wir. Also auf ins Reisebüro, und die Tickets analog buchen.

Im ersten Reisebüro, das wir ansteuern, erklärt man uns, dass man keine Bustickets verkaufe und schickt uns weiter. Im zweiten Reisebüro weiß man nichts von einem Bus nach Agra. Wir erklären dem Typen die Grundlagen seines Jobs (zum Beispiel, dass es tatsächlich einen Bus nach Agra gibt) und halten 15 Minuten später die Bustickets mit einem ordentlichen Aufpreis in den Händen.

Als wir abends zum Abfahrtsort wollen, findet unser Tuktuk-Fahrer trotz sechsfachen Nachfragens den Abfahrtsort von unserem Bus nicht. Nein, es nicht der Busbahnhof – der Bus wartet vor einer Art Restaurant, irgendwo am Straßenrand. Wir entdecken ihn gerade noch rechtzeitig und eher zufällig. Ich ahne langsam, warum jemand Indien die Crown of travel nennen könnte.

Agra

In Agra finden wir dann das ziemlich coole Grab einer gewissen Mumtaz Mahal vor, das natürlich zum Welterbe zählt. Der Taj Mahal wurde vom Großmogul und Gatten der Dame errichtet, nachdem sie 1631 bei der Geburt ihres vierzehnten Kindes starb. Die 500 Rupien Eintritt lohnen sich nicht nur für Architekturfans, und so ist das Gelände entsprechend gut gefüllt.

Am nächsten Tag fahren wir nach Delhi, wo Lisa am späten Abend ihren Rückflug erwischen muss. Ich checke im Hostel ein und habe zwei Tage Kulturschock von der indischen Hauptstadt. Besondere Erlebnisse hier: Bettler, die mich am Arm festhalten (Sag mal geht’s noch??), wahnwitzig leckeres Palak Paneer und funktionsuntüchtige Geldautomaten: Sieben von acht Automaten sind leer und geben mir kein Bargeld. Crown of travel.

Macht aber auch nichts, ich wollte sowieso schon weiter. Am Bahnhof kann man Zugtickets im International Tourist Bureau kaufen – ein Teil ist für Touristen reserviert, sodass man auch kurzfristig noch akzeptable Tickets bekommt. Und so erhalte ich nach einigem Papierkram eine Fahrkarte für umgerechnet acht Euro, die mich durch halb Indien bringen wird. Eigene Schlafpritsche inbegriffen.

Mumbai

Die 22 Stunden Fahrt sind eine Show an sich. Viertelstündlich kommt einer und will Masala-Tee im Pappbecher oder etwas zum Essen verkaufen. Manche Fahrgäste haben so ungefähr acht große Koffer und Pakete dabei, die sie elegant durch das Seitenfenster ins Abteil schieben. Da ist dann die eine oder andere Pritsche mal vom Gepäck belegt, was anscheinend niemanden interessiert. Lebende Tiere habe ich in meinem Abteil keine gesehen – ansonsten war alles dabei. Absolut sehenswert.

In Mumbai findet es niemand eigenartig, in solchen Hütten hier zu leben. Nein, das ist kein Slum – das ist Alltag in Indien.

Weil mein Hostel etwas abgelegen liegt, bewege ich mich mit dem Pendlerzug in Richtung Innenstadt. Und der wirkt mal so richtig aufgeräumt und ordentlich. Ein Ticket kostet lächerliche zehn Rupien.

Mumbai bietet eine Menge Architektur aus der Kolonialzeit. Wie zum Beispiel die beeindruckende Victoria Station, der wohl einzige zum Welterbe zählende Bahnhof. Inzwischen heißt er eigentlich anders, aber der neue Name ist mir zu kompliziert.

Es ist fast unmöglich, das Gebäude komplett auf ein Foto zu bekommen. Obwohl Mumbai schon viel relaxter als Delhi ist, herrscht immer noch genug Betrieb. Obigen Schnappschuss habe ich nur unter Einsatz meines Lebens auf einer vielbefahrenen Kreuzung machen können. Crown of travel.

Glücklicherweise geht es als nächstes nach Goa. Man erzählt sich, dass es dort schöne Strände gibt, und die hatte ich ja seit Thailand nicht mehr. Es wird also höchste Zeit.