Armenien

Es sah gerade nicht so gut aus für Gregor. Seit er dem König Trdat III. das Christentum als Religion der Wahl nahe gelegt hatte, saß er in seinem Verlies bei Wasser, Brot und Folter. Das war nicht so weit vom Berg Ararat entfernt, wo Noahs Arche nach der Sintflut auf Grund gelaufen ist. Jesus war im dritten Jahrhundert dem Gregor erschienen, um ihm einen klaren Auftrag mitzugeben: Das Christentum in Armenien zu verbreiten.

Kaiser Theodosius I. würde es zwar erst etwa 80 Jahre später zur römischen Staatsreligion erheben, trotzdem war das Christentum im römischen Reich inoffiziell schon weit verbreitet. Und die Römer, das waren damals die ungeliebten Nachbarn der Armenier. Dem armenischen König die Religion der Störenfriede hinterm Zaun zu empfehlen, das war eine blöde Idee. Der Legende nach hatte Gregor auch den Herrn Papa vom Trdat umgebracht, was die Beziehung der beiden nicht wirklich verbesserte.

Und so warf Trdat den Gregor in einen dunklen Raum unter der Erde. Und dort saß er nun, für insgesamt 13 Jahre, bis Trdat eine Hautkrankheit hatte und viele Quacksalber kommen ließ, die aber nicht helfen konnten und ihn Gregor dann am Ende doch heilen konnte. So wurde der König bekehrt und Trdat und der Hofstaat ließen sich taufen. Armenien wurde der erste christliche Staat der Welt, Trdat würde später heilig gesprochen werden und Gregor als erster Chef der armenisch-apostolischen Kirche den Beinamen „der Erleuchter“ bekommen.

In seiner späteren Geschichte hatte Armenien ähnliche Probleme mit Mongolen und Russen wie auch Georgien. Zusätzlich haben sich aber noch Osmanen und Perser einige Gefechte um das Ländchen geliefert.

Heute ist die Grenze zur Türkei geschlossen; und mit Azerbaidschan hat man eine Meinungsverschiedenheit um die Region Bergkarabach. Die Region gehört nämlich zu Azerbaidschan, dort leben aber Armenier – Armenien und Bergkarabach hätten deshalb lieber ein unabhängiges Bergkarabach, Azerbaidschan will sein Territorium behalten. Ansonsten ist aber alles in Butter.


Der Nachtzug erreicht Jerewan um halb acht. Trotz seines rustikalen Äußeren hat der Zug freies WLAN zu bieten. Der Bahnhof ist etwas auswärts gelegen, ein halbes Stündchen Fußmarsch muss man einplanen. Das Zentrum sieht auf der Karte so ähnlich aus wie die Mannheimer Quadrate – da die Armenier aber kein Barockschlösschen haben, fällt der Schwindel natürlich sofort auf. Jerewan hat statt dessen den Platz der Republik, der gerade am Abend dank seiner kolossalen Beleuchtung sehr sehenswert ist.

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Ich verbringe vier Nächte in Jerewan. Schlimmerweise hat die Stadt mit ihren vielen Cafes, Büdchen und Restaurants die gleiche Wirkung wie meine Couch: Wenn man einmal sitzt, will man einfach nicht wieder aufstehen. Zudem ist Essen in Armenien eine leckere Angelegenheit. Lahmajoon, die armenische Gegenoffensive zur türkischen Pizza mit ähnlichem Namen, gibt es hier an vielen Ecken. Und endlich Tabouleh mit viel Petersilie.

Die Sprache hat es übrigens in sich. Mit 36 Buchstaben hat das armenische Alphabet den gleichen Umfang wie das georgische, wobei mir die georgische Schrift besser gefallen hat. Ich finde die armenischen Zeichen auch schwerer zu merken. Auch sonst übertreiben es die Armenier: Ein wichtiges Wort in jeder Sprache ist ja zum Beispiel „Danke“. Da gab es schon das albanische Falemenderit und das mazedonische Blagodaram, die dem Touristen das Leben nicht einfach machen – in Armenien hingegen sagt man Schnorhakalutsin. Als Tourist will ich eigentlich wenigstens Hallo und Danke in der Landessprache sagen können, aber das geht mir einfach zu weit.


Von Jerewan aus gönne ich mir einen kleinen Halbtagestrip nach Etschmiadsin und Khor Virap. In Etschmiadsin hatte der oben beschriebene Gregor seine Begegnung mit Jesus, wo deshalb eine Kathedrale und einige Kirchen stehen, und nach der Begegnung mit dem König musste er in Khor Virap (das bedeutet soviel wie „dunkles Verlies“) einsitzen, wo ebenfalls eine Kirche steht.

Da die Fassade der Kathedrale gerade renoviert wird, ist hier ziemlich viel Gerüst im Weg – aber wenigstens der Eingangsbereich steht für ein Foto zur Verfügung. Nebenbei sind auf dem Gelände auch noch einige weitere ganz nette Bauten verteilt.

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Khor Virap steht direkt vor dem Berg Ararat. Der Berg gibt einiges an Zündstoff her, da er den Armeniern historisch recht wichtig ist, dummerweise bei der Aufteilung des osmanischen Reiches den Türken zugesprochen wurde. Die Briten hatten natürlich ihre Hände im Spiel. Und so schaut man aus Armenien nun rüber zum Ararat auf osttürkisches Staatsgebiet, von dem es unglaublich viele atemberaubende Fotos gibt. Während ich hier bin, versteckt sich der Berg leider hinter einer Dunstwand und steht für atemberaubende Fotos nicht zur Verfügung. Aber die Kirche hier ist auch ganz schön.

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In der Kapelle nebenan kann man noch Gregors Verlies und einen anderen, nicht minder beklemmenden Raum unter der Erde besichtigen. Beide erreicht man über eine recht enge Stahltreppe. Anscheinend waren beklemmende unterirdische Verliese damals einfach Trend.

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Der ganze Trip dauert knapp vier Stunden und kostet rund 12000 Dram, etwa 24 Euro, mit einem Taxi. Mit einem inoffiziellen Taxi natürlich.


In Jerewan steht übrigens seit 1967 auf einem Hügel die beste Freundin der Mutter Georgiens: Die Mutter Armenien. Früher stand dort mal Josef Stalin, aber der musste weg und so bekamen die Armenier ihre eigene bis unter die Zähne bewaffnete Schutzpatronin. Im Gegensatz zur georgischen Mutti hat diese hier aber keinen Wein anzubieten.

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Sie steht auf einer Art Kriegsgedenkstätte inmitten eines Freizeitparks. Der Park scheint mir seine besten Jahre hinter sich zu haben und indes ein guter Ort zu sein, um einen Horror-Roman zu verfilmen.

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Jerewan hat aber natürlich noch mehr zu bieten. Dazu gehört eine Menge Architektur. Die blaue Moschee sollte man sich mal ansehen. Der Platz der Republik sieht auch tagsüber wirklich schick aus, da alle Gebäude aus dem hier erhältlichen roten Tuffstein gebaut sind. So zum Beispiel auch das Regierungsgebäude.

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Dann gibt es da noch das Opernhaus.

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Und nördlich vom Opernhaus geht es die Kaskaden hoch. Wenn man sich die vielen Stufen hochschleppt, wird man mit einer ganz netten Aussicht über die Stadt belohnt.

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So kann man zwei Tage ohne Langeweile in Jerewan locker rumkriegen. Und dann muss man ja noch entspannt rumsitzen und Kaffee trinken. Da sind bei mir einige Punkte auf der Liste leider offen geblieben. Dazu gehören die Klosteranlage Noravank, der Tempel von Garni, die Kirche von Geghard und das Kloster Sewanavank. Man kann ja leider nicht alles haben.


Ich will mit einer Marschrutka zur iranischen Grenze. Die fahren hier in der Sewan Street ab, hinter dem Bahnhof. Er ist nach David von Sasun benannt, dem Nationalhelden von Armenien, der im siebten Jahrhundert die Araber vertrieben hat. Er steht übrigens auch mitsamt Pferd vor dem Bahnhofsgebäude.

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Und so komme ich Freitag Morgen um zwanzig vor acht an. Außer mir natürlich keine Touristen und kaum Einheimische. Trotzdem ist die Marschrutka nach Meghri schon fast voll, ich bekomme den letzten Platz zugeteilt und wir düsen los.

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Was es in Armenien übrigens auch gibt, sind Quellen. An vielen Orten stehen so kleine Säulen, wo Wasser raussprudelt. Die sind mir in Jerewan schon aufgefallen, aber hey – gibt das nicht bestimmt irgendwelche Krankheiten? Hat das Gesundheitsamt das so abgenommen? Als wir kurz an einer Gaststätte anhalten, ist da wieder so eine Quelle. Ich probiere dann auch mal mein Glück und das Wasser ist echt gut. Kein Bei- oder Nachgeschmack, keine Partikel drin und gesund bleibe ich auch noch.

Um vier Uhr kommen wir an und ich laufe über die Grenze. Nächster Halt: Iran.